Sabrina Bäthke wurde Ende November mit ihren bayrischen Mitstreiterinnen Bärbel Reiner und Angelika Bußmann Vize-Europameisterin in der Sportart ‚Taekwondo‘. In der Disziplin ‚Poomsae‘ (koreanisch Formenlauf) sicherte sich das Trio in der Kategorie Synchron „Team weiblich ab 31 Jahre“ den 2. Platz.
Seit Februar 2023 arbeitet die Taekwondoin mit Morgen Coaching zusammen. Ich habe nachgefragt, was Sabrina Bäthke durch das mentale Training gelernt hat und für wen sich ein solches Coaching ihrer Meinung nach anbietet.
A.M.: Wie fühlt es sich an, Vizeeuropameisterin zu sein?
S.B.: Ich würde das Gefühl mit Erleichterung, Stolz und Zufriedenheit beschreiben. Ich glaube, das trifft es sehr gut. Man freut sich einfach sehr, dass alles geklappt hat und man für die harte Arbeit belohnt wurde. Im Grunde genommen hat sich aber für mich nicht viel verändert. Meine persönlichen Ziele sind gleichgeblieben: Ich will mich weiter verbessern.
A.M.: Auf was kommt es in Deinem Sport an? Was sind die besonderen Herausforderungen?
S.B.: Neben der körperlichen Fitness und der hohen Konzentrationsfähigkeit kommt es – und das habe ich wirklich am eigenen Leib erfahren – in jedem Fall auf die mentale Stärke an. Der Formenlauf ist eine anspruchsvolle und perfektionistische Disziplin des Taekwondo. In diesem Wettkampfmodus gibt es einen Pool aus acht festgelegten Bewegungsabläufen, sog. Formen, die vor dem Turnier ausgelost und dann vor einem Kampfgericht präsentiert werden müssen. Alle Sportler einer Kategorie laufen dabei dieselben Formen, um Vergleichbarkeit unter den Athleten zu gewährleisten. Die Wertung erinnert ein wenig an die beim Eiskunstlaufen oder Turnen. Sie ergibt sich aus einer Präsentationsnote für den Ausdruck, darin inbegriffen der Krafteinsatz und die Dynamik des Sportlers, sowie einer Techniknote. Bei der Techniknote wird jede Technik, die nicht gemäß dem Wettkampfregelwerk ausgeführt wird, abgezogen. Ein Beispiel: Das Standbein bei einem Vorwärtstritt muss laut Regelwerk nahezu gestreckt sein. Ist es nur leicht geknickt, zieht der Kampfrichter diesen Fehler dem Sportler mit einer bestimmten Punktzahl ab. In Team- und Paarkonstellationen wird außerdem noch die synchrone Ausführung der Techniken bewertet. Als Präsentationssportart ist man also konstant einer Bewertung von außen durch die Kampfrichter, andere Sportler, Trainer und Zuschauer sowie der eigenen Kritik ausgesetzt. Alle Augen sind auf einen gerichtet. Man hat nur einen Versuch. Kampfrichter und Konkurrenten warten regelrecht darauf, dass man einen Fehler macht. Das ist ein enormer Stress und Druck, dem man auf der Fläche ausgesetzt ist. Die Fähigkeit, sich nicht von der Konkurrenz einschüchtern zu lassen, im eigenen Wettkampf abzuliefern und auf sein eigenes Können zu vertrauen, die hat nicht jeder. Aber das kann man lernen. Für mich bestand immer eine große Herausforderung darin, die Kampfrichter zu überzeugen und gleichzeitig zufrieden mit der eigenen Leistung zu sein. Eine niedrige Wertung durch das Kampfgericht muss nicht immer heißen, dass man schlecht performt hat. Aber manchmal reicht ein kleiner Wackler oder ein Gleichgewichtsverlust, der für Abzüge sorgt und über Medaillen entscheidet. Und wenn so ein Wackler zu einer Niederlage führt, dann ist man oft von sich selbst enttäuscht. Hinzu kommt dann das Gefühl, auch Trainer, Verbände oder Teamkollegen enttäuscht zu haben. Wenn es mal nicht so gut gelaufen ist, muss man lernen, das abzuhaken, und die nächste Chance nutzen. Das ist mir persönlich oft schwergefallen, weil ich sehr lange über einen Misserfolg nachgedacht habe, statt den Blick nach vorne zu richten.
A.M.: Wie stark haben mentale Aspekte bei Deinem Erfolg den Ausschlag gegeben?
S.B.: Die mentalen Aspekte waren sehr ausschlaggebend für meine Erfolge, aber auch Misserfolge. Egal wie stark oder hart man den Körper trainiert: Eine Top-Leistung kann man nicht auf die Fläche bringen, wenn man nicht auch seine mentale Stärke trainiert. In der Vergangenheit ist es häufig vorgekommen, dass ich zwar physisch austrainiert und fit war, auf Turnieren aber die Nerven verloren habe und schlechter abgeschnitten habe. Ich litt unter dem, was wir im Nationalteam als „Trainingsweltmeister“ bezeichnen: Zuhause in der Halle hat vieles sehr gut funktioniert und auf der Meisterschaft lief es dann nicht so gut. Die Ursachen dafür lagen aber weniger in der physischen Fitness, sondern in meinen mentalen Fähigkeiten: Ich hatte vor dem Wettkampf häufig ein negatives „Kopfkino“, d.h. ich habe mir schlimme Szenarien ausgemalt. Das waren Gedanken wie „An dieser Stelle bin ich beim letzten Turnier umgekippt“, „hoffentlich wird diese Form nicht ausgelost“, „diese Passage liegt mir nicht so“, „diese Form kann ich nicht gut laufen“. Anstatt mich auf die positiven Erfahrungen und meine Stärken zu besinnen, war ich mit den Gedanken oft beim Scheitern. Diese selbsterfüllende Prophezeiung ist dann leider auch oft eingetreten. Nach dem Bundeskaderlehrgang im Februar 2023 ist mir das bewusst geworden und ich habe den Entschluss gefasst, an diesem Problem zu arbeiten. Gespräche mit anderen Sportlern, Trainern oder Freunden haben mich jedoch nicht wirklich weitergebracht. Ich brauchte Hilfe von außen.
A.M.: Du hast in den vergangenen Monaten fleißig an Deiner psychischen Stärke gearbeitet. Dazu haben wir gemeinsam unterschiedliche mentale Interventionen besprochen und eingeübt, um Dich individuell und optimal vorzubereiten. Was, denkst Du, war für Dich auf dem Weg zum europäischen Silber besonders wertvoll?
S.B.: Was mir sehr geholfen hat, gleichzeitig aber für mich auch das Schwierigste war, ist das positive Selbstgespräch. Meinen inneren Kritiker zufriedenzustellen und meine Gedanken auf meine Stärken und die positiven Aspekte zu lenken: Das war und ist harte Arbeit. Im Zuge unserer Zusammenarbeit habe ich gemerkt, wie tief meine negativen Glaubenssätze verankert sind. Im Rahmen des Coachings haben wir diese erst einmal umgekrempelt. Oft habe ich gedacht „Ich kann das nicht“, aber das war ein Trugschluss, denn im Training sowie auf Lehrgängen und Turnieren haben eigentlich viele Dinge, von denen ich geglaubt habe, dass ich sie nicht schaffe, recht gut funktioniert. Das Coaching hat mir gezeigt, wie ich mich gezielt auf diese positiven Erfahrungen rückbesinne, anstatt die Situationen heraufzubeschwören, in denen es mal nicht so gut gelaufen ist. Darüber hinaus hat mir das Coaching vor Augen geführt, was ich persönlich vor dem Wettkampf brauche. Früher war mir das nicht so bewusst. Ich habe mein Programm abgespult. Was genau aber Bestandteile dieses Programms waren und welche Routinen und Abläufe förderlich bzw. weniger förderlich für meinen Start waren, das war mir nicht wirklich bewusst. Indem wir identifiziert haben, was ich persönlich vor dem Start brauche, um mich gut zu fühlen, konnte ich viel entspannter und fokussierter in den Wettkampf einsteigen. Ich habe Routinen und Rituale erarbeitet, mit denen ich mich auf den Start eingestellt habe, ohne mich von diesen abhängig zu machen. Außerdem habe ich gelernt, auf meine eigenen Bedürfnisse zu hören und mich nicht von den Wünschen oder Vorstellungen Anderer aus der Bahn werfen zu lassen. Gerade in der Disziplin des Synchronlaufs, in dem Sportler zusammen performen, kann es zu Unstimmigkeiten kommen. Der eine braucht vor dem Wettkampf Ruhe, der andere braucht Aktivierung. Jeder darf und soll auf seine Kosten kommen. Das Coaching hat mir gezeigt, dass meine Bedürfnisse, so zum Beispiel meine Wettkampfroutinen, auch in der Teamkonstellation Platz haben dürfen und ich nicht auf diese verzichten muss, auch, wenn wir zu Dritt an den Start gehen.
A.M.: Neben dem Leistungssport bist Du Doktorandin an der Uni Trier. Welche Vorteile bieten Dir die erworbenen mentalen Fertigkeiten auch außerhalb des Sports im Privat- und Berufsleben?
S.B.: Ich profitiere vor allem von der Glaubenssatzarbeit. Jeder hat mal Zweifel oder das Gefühl, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Aber bei mir war das so ausgeprägt, dass ich mich selbst blockiert und gelähmt habe. Das ist nach wie vor ein Bereich, an dem ich arbeite. Über das Coaching habe ich gelernt, dass diese Zweifel überwiegend aus mir selbst hervorgehen. Ich bin sehr selbstkritisch und skeptisch, ob ich meine persönlichen Ziele wirklich erreichen kann. Mein Umfeld dagegen hat mich immer bestärkt und an mich geglaubt. Mit Deiner Hilfe habe ich für mich Anreize geschaffen, in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, an mich selbst zu glauben und weiterzuarbeiten, auch wenn die Hindernisse erst einmal unüberwindbar scheinen.
A.M.: Welche zusätzlichen Erkenntnisse hast Du durch die mentale Arbeit der vergangenen Monate gewonnen? Welche zusätzlichen Fähigkeiten und Perspektiven haben sich ergeben?
S.B.: Eine Einsicht war, dass ich es oft allen Recht machen möchte. Durch die mentale Arbeit habe ich gelernt, dass ich auch mal Nein sagen darf. Sowohl im Privaten als auch im Sportlichen. Gerade in einer Teamkonstellation mit vielen Ansprüchen, Wünschen und Verpflichtungen gibt es Reibungspunkte. Oft habe ich meinem Team zuliebe weite Strecken für Trainingstermine und Turniere auf mich genommen. Die Trainingstermine in Bayern und die vielen Turniere im Ausland haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass wir gut auf die Europameisterschaft vorbereitet waren. Manchmal waren es aber einfach zu viele Termine. Einige Maßnahmen, so zum Beispiel ein letztes Trainingswochenende kurz vor der Europameisterschaft, habe ich daher abgesagt. Von Teilen des Teams kam die drückende Nachfrage, ob ich es mir nicht doch anders überlegen würde, da dies ja das letzte Training vor dem großen Event sei und das Training allen im Team ja nochmal Sicherheit geben würde. Ich bin bei meiner Entscheidung geblieben, und wir haben trotz meiner Absage eine super Performance auf der Europameisterschaft abgeliefert.
A.M.: Welche weiteren Ziele - sportlich, privat, und beruflich - verfolgst Du nun? Und wie kann Dich Dein Mindset dabei unterstützen?
S.B.: Nächstes Jahr gibt es einige Dinge, die meine Kraft und Ressourcen fordern: So möchte ich etwa meine Dissertation voranbringen und meinen Sport wieder ganzheitlich und weniger fremdbestimmt ausüben. Persönlich möchte ich im kommenden Jahr meinen 3. Dan machen. Zur Überprüfung dieses Meistergrades muss man eine Turnier-Form laufen, vor der ich immer Respekt hatte. Dieser Herausforderung möchte ich mich stellen. Vor unserer Zusammenarbeit hätte ich mir das wahrscheinlich nicht zugetraut. Ich bin wesentlich mutiger und zuversichtlicher geworden. Außerdem ist es mir ein Anliegen, junge SportlerInnen aus unserem Verein an den Poomsae Leistungssport heranzuführen. Wir haben einige Kinder und Jugendliche im Verein, die großen Spaß am Turnierlauf haben. Hier möchte ich mich als Trainerin verbessern und die Impulse aus dem Coaching aufnehmen und an meine eigenen Sportler herantragen. Ich selbst möchte auch weiterhin im Landeskader trainieren. Zum einen, um Neuheiten aus der Verbandsspitze- und Weltspitze in den Verein zu tragen, zum anderen, um mich selbst weiter zu verbessern. Gerade was Dynamik und Präsentation betrifft, musste ich mich im Teamlauf stark zurücknehmen. Ich möchte die Taekwondo-Formen wieder nach meiner eigenen Interpretation laufen.
A.M.: Für wen bietet sich, Deiner Erfahrung nach, (sport-)psychologische Beratung an? Wem würdest Du sie empfehlen?
S.B.: Ich empfehle sie jedem, der blockiert ist und sich in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt fühlt. Unabhängig davon, ob diese Person (Leistungs-)Sportler ist. Die angeeigneten mentalen Fähigkeiten helfen mir persönlich auch in meinem Berufs- und Privatleben. Man muss sich allerdings bewusst machen, dass ein solches Coaching immer Arbeit an der eigenen Person voraussetzt. Man kann nicht erwarten, dass sich Probleme von allein oder durch den Coach lösen. Manche Dinge brauchen Zeit. Andere Knoten lösen sich in einer Sitzung auf. Das ist individuell. Ich habe für mich drei Ziele für die Europameisterschaft formuliert. 1. zufrieden mit meiner Leistung sein, 2. absolut synchron mit meinem Team sein und 3. Spaß haben und Freude daran verspüren, dort stehen zu dürfen. Mit dem Coaching habe ich diese Ziele nicht nur genau so formuliert, sondern auch genauso erreichen können.
A.M.: Herzlichen Dank für das Interview, Sabrina!
Fotos: Alexander Morgen, Sabrina Bäthke privat, Matthias Hoffmann, nds